Wirtschaft & Entwicklung

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Bis zur Vereinigung der beiden jemenitischen Staaten existierten zwei Volkswirtschaften, eine auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruhende im Norden und die andere eingebunden in die planwirtschaftliche Entwicklung des Südens. 

BIP (Kaufkraftparität) 

72,1 Mrd. US-$ (Schätzung 2019) 

BIP pro Kopf (Kaufkraftparität) 

2580,90 US-$ (2019) 

Rang der menschlichen Entwicklung (HDI) 

Rang 177 von 189 (2018) 

Anteil Armut (unter 2 US-$ pro Tag) 

48,6% (2018) 

Einkommensverteilung (Gini-Koeffizient) 

38,5 (2017) 

Wirtschaftlicher Transformationsindex (BTI) 

Rang 135 von 137 (2020) 

Wirtschaftspolitik und Sektoren 

Bis zur Vereinigung der beiden jemenitischen Staaten am 22. Mai 1990 existierten zwei Volkswirtschaften, eine auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruhende im Norden (JAR) und die andere eingebunden in die planwirtschaftliche Entwicklung des Südens (DVRJ/VDRJ). 

Mit Fremdkapital, in erster Linie aus Saudi-Arabien und Kuwait, sollte die Volkswirtschaft nach vollzogener staatlicher Einheit einen gewaltigen Impuls erhalten. Im Vordergrund standen Projekte zur weiteren Entwicklung des Erdöl- und Erdgassektors, der Ausbau Adens zur Wirtschaftshauptstadt, darunter die Einrichtung eines Freihafens in Aden, sowie die Entwicklung des Tourismus und der dafür notwendigen Strukturen. Differenzen innerhalb der weitgehend paritätisch zusammengesetzten politischen Führung des Landes über die Realisierung der gewaltigen Vorhaben und die irakfreundliche Position des Landes im Golfkrieg 1990/91 führten zu einem jähen Ende der wirtschaftlichen Erwartungen, da die finanziellen Zuwendungen aus arabischen Nachbarstaaten (Saudi-Arabien, Kuwait) sowie von westlichen Staaten minimiert bzw. eingestellt wurden. 

Zudem wurden Tausende von jemenitischen Gastarbeitern aus den Golfstaaten ausgewiesen und mussten in ihr Heimatland zurückkehren. Damit fielen die wichtigen (und notwendigen!) privaten Geldtransfers an die Angehörigen weitgehends weg. Hohe jährliche Inflationsraten von 50 bis 70%, begleitet vom Verfall der Währung und einer starken Zunahme der Armut unter der Bevölkerung, waren die Folge. Nach dem Ende des Bürgerkrieges (s. Kapitel «Geschichte & Staat») im Sommer 1994 (7. Juli) verbesserte sich die wirtschaftliche Lage aufgrund erneut fließender Finanzen aus arabischen Ländern und struktureller Reformen in der Volkswirtschaft langsam wieder. 

2019 betrug die Inflationsrate 10,0%, für 2020 wird sie auf 26,7% geschätzt (andere: 20,7%; Angaben variieren je nach Quelle). Die Verarmung von großen Teilen der Bevölkerung hat sich in den letzten Jahren verstärkt und nimmt, insbesondere in der gegenwärtigen instabilen politischen Lage, weiter zu. 2018 lebte nahezu die Hälfte der Bevölkerung (48,6%) unter der Armutsgrenze. Korruption und Vetternwirtschaft sind seit Jahren (leider) realer Alltag, vor allem im staatlichen Sektor (Ministerien und andere Institutionen). Von 180 gelisteten Ländern lag Jemen 2019 auf Rang 177 (2016: Rang 170, 2017: 175, 2018: 176). 

Bis 2014 waren Erdöl und Erdgas die finanziellen Haupteinnahmequellen des Landes: Etwa 90% der Exporterlöse und 60% der Staatseinnahmen wurden davon bestritten. Die derzeitige Lage, verbunden mit terroristischen und anderen Anschlägen auf Einrichtungen dieses Sektors haben zu einem starken Förderrückgang (Erdöl: 2014: 153 000 b/d; Mai 2020: 66 000 b/d) bis hin zu kompletten Produktionsausfällen geführt. Auch Exporte sind praktisch kaum noch möglich. Von einer funktionierenden Volkswirtschaft kann deshalb derzeit keine Rede sein. Der wichtigste Export- und Importhafen des Landes war (und ist noch) Aden, der auch über eine Freihandelszone (Aden Free Zone) verfügt. Infolge heftiger militärischer Auseinandersetzungen in und um Aden sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Hafenanlagen stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Der Hafen ist deshalb nur begrenzt nutzbar. 

Der einstige wirtschaftliche Hoffnungsträger Tourismus (2010: 1,3 Mrd. USD Einnahmen, 1,03 Mio. Touristen) erlebte durch zahlreiche Geiselnahmen von Einheimischen und Ausländern, terroristische Anschläge und einer damit verbundenen Verschlechterung der allgemeinen Sicherheitslage im Lande immer wieder Rückschläge und letztlich hohe finanzielle Verluste. Seit 2012/2013 ist der Tourismus im herkömmlichen Sinne (ausländische Reisende, Reisegruppen) nicht mehr existent, ein Großteil der touristischen Infrastruktur wurde zudem durch kriegerische Handlungen beschädigt oder zerstört.

Seit ihrer Gründung galt die General Investment Authority als ein wichtiger Motor der wirtschaftlichen Entwicklung im Jemen, die auch von deutschen Spezialisten im Rahmen der beiderseitigen Zusammenarbeit beraten wurde. 1992 gegründet, war/ist sie u.a. zuständig für die Anwerbung von Investoren aus dem In- und Ausland, die umfassende Betreuung von Unternehmen im Jemen, die Politikberatung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investoren und angesiedelte Unternehmen sowie für die Imagewerbung des Landes im Ausland. Die GIA war/ist Vorreiter für ein attraktiveres Investmentgesetz, vor allem hinsichtlich des Schutzes von Investorenrechten. Die Situation im Land hat auch deren Aktivitäten auf ein Mindestmaß beschränkt. 

Hauptsitz ist Sanaa; in den Provinzen Aden, Hadramaut, Hodaida, Lahej und Taiz stehen  Büros zur Verfügung, die mit der Zentrale eng vernetzt sind. 

Topografisch begünstigt sind 44,6% (oder 23,5 Mio.ha) des Gesamtterritoriums landwirtschaftlich nutzbar (Tihama, Gebirgsregionen um Sanaa und Taiz, Wadis im Süden und Osten), aber nur ca. 1,2 Mio. ha werden ganzjährig bebaut, z.T durch zusätzliche Bewässerung. Die Landwirtschaft hatte 2018 einen Anteil (mit Forstwirtschaft und Fischerei) von 19,3% am BIP und bleibt mit rd. 25% der Erwerbstätigen weiterhin ein beschäftigungsintensiver Wirtschaftszweig, durchweg in Kleinstbetrieben, die von den jeweiligen Familien abgesichert werden und meist ohne den Einsatz moderner Agrartechnik. 

In den Bergoasen des Hochlandes erfolgt die Landnutzung durch Terrassenfeldbau. Zu den wichtigsten Anbauprodukten zählen Hirse, Weizen, Gerste, Melonen, Hülsenfrüchte, Trauben, Datteln, Feigen, Sesam, Baumwolle und Tabak. Die Ernteerträge reichen aber nur bei wenigen Produkten zur Deckung des Eigenbedarfs im Lande, d.h. 35,6% (Food Security Index). Jemen lag diesbezüglich (2019) an 111. Stelle von 113 gelisteten Ländern (Dtschl.: 81,7%; d.h. 11. Stelle). Für eine ausreichende Versorgung sind zusätzlich Importe notwendig (2017: 45,3% aller Importe). Die Kaffeeproduktion ging vor allem aufgrund der erweiterten Anbaus von Qat (2017: 166 557 ha bzw. 15% der landwirtschaftlichen Nutzfläche) stetig zurück. Andererseits bietet Qat für die Landbevölkerung in den Bergregionen (ca. 1200 – 2000 m ü.NN), insbesondere gegenwärtig, die Möglichkeit, höhere Einkommen zu erzielen als durch Subsistenzwirtschaft oder den Anbau anderer landwirtschaftlicher Kulturen, bremst zudem die Landflucht und damit das rapide Anwachsen der Stadtbevölkerung. Zu den Weidetieren gehören Rinder, Ziegen, Schafe und Kamele. Letztere sowie Esel werden häufig als Lasttiere genutzt. Bekannt und profitabel für die privaten Erzeuger ist die Produktion von Honig, vor allem in der Provinz Hadramaut.

Fischereisektor 

Fischfang wird auch unter den gegenwärtigen schwierigen Bedingungen vor allem im Roten Meer und im Golf von Aden betrieben. Die Fischerei trug 2015 aber nur etwa 1,7% zum BIP bei, dennoch steht der Export von Fischen an zweiter Stelle (40-50% der Produktion, meist nach Saudi-Arabien) nach Erdöl und Erdgas. 2017 wurden 31 210 t Fisch gefangen (2013: 210 000 t), vor allem Sardinen, Thun- und Haifische, aber auch Hummer, meist von Fischern mit kleinen Booten (ca. 90 000 Fanglizensen) und in relativer Küstennähe. Die Infrastruktur zum Kühlen und Weiterverarbeiten von Fisch ist weiterhin schwach entwickelt. Bereits 2005 wurden seitens der EU Gelder zur Entwicklung des Fischereisektors bereitgestellt. Durch die Blockade von Häfen (vor allem Hodaida) und Angriffen der von Saudi-Arabien geführten Militärallianz wurde auch die Fischindustrie, insbesondere im Bereich des Roten Meeres, stark in Mitleidenschaft gezogen, die Produktion sank um 85%, über 150 Fischer verloren seit 2015 ihr Leben. Überlegungen und Pläne zur Revitalisierung, Entwicklung und Modernisierung dieses Sektors bestehen dennoch weiter. 

Entwicklungszusammenarbeit 

Weltbank und IWF sind die wichtigsten multilateralen Geber. Auf bilateraler Ebene gehört Deutschland zu den größten Gebern für Jemen. Im Rahmen der langjährigen entwicklungspolitischen Zusammenarbeit seit 1978 gewährte Deutschland der jemenitischen Seite (als Schwerpunktland) mehr als eine Milliarde EUR Entwicklungshilfe, sowohl in der Finanziellen Zusammenarbeit (FZ), wie auch in der Technischen Zusammenarbeit (TZ). Schwerpunkte in der Kooperation mit Jemen sind Trinkwasserversorgung/Abwasserentsorgung und Bildung, weiterhin reproduktive Gesundheit, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Absicherung der Ernährung und Biodiversität. Durch gezielte Maßnahmen sollten zudem langfristig (bis 2020/2021) u.a. eine gute Regierungsführung (Good Governance) gefördert und die erfolgreiche Fortsetzung aller weiteren Projekte, darunter der Friedensprozess, unterstützt werden.

Um das Hauptziel in der Entwicklungszusammenarbeit, die Halbierung der Armut bis 2015 (MDG), zu erreichen – Ende September 2015 durch die SDG bis 2030 ergänzt -, werden diese Summen auch weiterhin vor allem in den genannten Schwerpunktbereichen eingesetzt. Realisiert wird die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit durch Langzeitexperten/innen der GIZ. Sie ist die größte durchführende Institution innerhalb der deutschen EZ und seit 1969 im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Jemen tätig. Ebenfalls vertreten war (gegenwärtig nicht) das Zentrum für Internationale Migration und Entwicklung (CIM) – jetzt unter dem Dach der GIZ – und – als Geldgeber – die KfW Entwicklungsbank (Sitz Frankfurt). Aufgrund der aktuellen politischen Lage werden alle Projekte derzeit von jemenitischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut. Die entsandten Spezialisten und Spezialistinnen wurden Ende 2013 abgezogen und arbeiten seither von Deutschland bzw. Jordanien (Amman) aus. Notwendige Arbeitstreffen mit den jemenitischen Partnern finden gegebenenfalls in Amman statt. Zwischenzeitlich wurde ein Papier zur Zusammenarbeit unter Konfliktbedingungen erarbeitet. 

Die Beziehungen der Europäischen Union mit dem Jemen in den Sektoren Wirtschaft und EZ entwickeln sich ebenfalls im Rahmen des am 11. März 1998 unterzeichneten Kooperationsvereinbarung (Cooperation Agreement – s. Kapitel «Geschichte & Staat»). Detaillierte Hilfen und Projekte sowie deren jeweilige Prioritäten waren im Multiannual Programme fixiert, das auf dem langfristigen Strategie-Papier (Strategy Paper 2006 – 2013) basierte. Eine Neufestlegung für die kommenden Jahre steht weiterhin aus. 

Weitere im Jemen tätige Institutionen und Organisationen (NGO) 

Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) 

CARE 

Vision Hope International 

USAID Middle East (Yemen) 

Anmerkung: Die vorgenannten Organisationen (u.a.) haben ihre Tätigkeit aufgrund der gegenwärtigen politischen Situation vor Ort reduziert oder unterbrochen. 

Lesetipps, Links & Kurzvideos 

Kopp, Horst (Hrsg.): Länderkunde Jemen, S. 105-135 (Wirtschaft) 

Wirtschafts- & andere Ministerien: Adressen 

UN Environment Programme: Republic of Yemen 

UNDP: Yemen: National Agriculture Sector Strategy 2012-2016 

CARPO: Jemen – Wirtschaft: Analysen und Perspektiven 

Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Verfasser ist Heiner Walther. Die Urheber wurden informiert, dass auf meiner Tourismusseite für Jemen die Inhalte veröffentlicht werden.