Kultur

Jemen ist Teil eines alten Kulturlandes, das seine Wurzeln in den antiken Reichen Südarabiens hat, vor allem der Sabäer, Minäer und des Hadramaut. Noch heute bilden Kultur und Religion (und letztlich auch Geschichte) eine feste Einheit. Viele Traditionen, Sitten und Gebräuche, Verhaltens und Denkweisen der Bevölkerung – bis in die Politik und Wirtschaft sind davon beeinflusst worden. Wer Jemen besucht hat, ob dienstlich oder als Tourist, war/ist begeistert von der Vielseitigkeit der Natur, der einmaligen Architektur, insbesondere in Sanaa (inzwischen mit zahlreichen Schäden) und Schibam (Hadramaut), auch in Zabid (Tihama), deren Altstädte Teil des (inzwischen bedrohten) Weltkulturerbes sind, und – last but not least – von der Gastfreundschaft der Menschen. 

Aufgrund der unterschiedlichen sozialen und zum Teil auch religiösen Verhältnisse, der materiellen Kultur sowie der verschiedenen Wirtschafts- und Siedlungsweisen lässt sich Jemen in vier Kulturregionen unterteilen: 

  • das Gebirgsland mit seinen Hochebenen (höchste Erhebung: an-Nabi Shu’aib – 3666 m ü.NN) 
  • die Küstenebene am Roten Meer: Tihama 
  • die nordöstlichen Distrikte (u.a. die Provinzen Marib und al-Jawf)
  • das Wadi Hadramaut im Osten 

Man kann hierbei von einer städtischen Kultur (Sanaa) und einer bäuerlichen Dorfkultur sprechen. Letztere ist gekennzeichnet durch viele Aspekte der materiellen Kultur in den handwerklichen Bereichen, in der Agrartechnik, den Stilformen der Architektur, der Kleidung und dem Schmuck. 

Die moderne Entwicklung hat auch im Jemen ihre Spuren hinterlassen, sodass die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit seit Jahren einen tief greifenden Wandel durchläuft, der vor allem die materielle Komponente erfasst hat. Das Fernsehen hat längst seinen Einzug gehalten, doch auch Internet und Mobiltelefon gehören inzwischen zum Alltag und beeinflussen damit ebenso die ideelle Seite der Menschen. Alte Traditionen sind dennoch lebendig, wie z.B. die des Märchenerzählers. Aber er hat es gegenüber dem allgegenwärtigen Fernsehen schwer. Trotz einer vielfältigen Literatur (Lyrik und Prosa) ist bisher wenig in andere Sprachen übertragen und damit bekannt gemacht worden (s. oben rechts: «Gesichter und Orte»). Es existieren keine Theater im Sinne eines festen Hauses, jedoch einzelne Theatergruppen, u.a. in Sanaa, Taiz und Aden, die hin und wieder Aufführungen vornehmen. 

Nachtrag: Wie in anderen Kapiteln gilt auch hier: So war es bisher! Durch den Bürgerkrieg ist neben dem großen menschlichen Leid auch die einzigartige materielle und ideelle Kultur im Jemen von Zerstörungen und Niedergang betroffen. Von jeher her tragen Männer im (Nord-) Jemen einen Krummdolch, Jambiya, (auch: Gambiya) genannt. Er gilt als Statussymbol eines freien Stammesangehörigen. Noch heute werden sie in speziellen Werkstätten, z.B. in der Altstadt von Sanaa, angefertigt. Einst kam der Griff vom Nashorn, was nicht unwesentlich zur Dezimierung dieser Tiere in Afrika beitrug. Inzwischen geben sich die Kunden mit Tierknochen oder Plastik zufrieden. Jüdische Silberschmiede waren einst für die Herstellung der Klinge und der Scheide zuständig. Während der Krummdolch im Nordjemen noch allgegenwärtig ist, findet man ihn im südlichen Jemen weiterhin nur wenig. Eine Variante der Jambiya ist die Thuma. Sie weist eine geringere Krümmung auf und wird nur von den zaiditischen Würdenträgern des Landes, den Sayyids (s. Religion), befestigt an einem kunstvoll verzierten Gürtel, an der rechten Körperseite getragen. 

Zur Tradition vor allem im nördlichen Jemen gehört der tägliche Genuss von Qat (Kat). Zu 

nachmittäglicher Stunde trifft man (oder frau) sich mit Verwandten und Freunden in einem Raum des Hauses, dem Mafraj, und gibt sich bis zum Sonnenuntergang dem Kaugenuss hin. Qat ist eine

Pflanze, deren frische Blätter in den Mund gestopft und gekaut werden. Aufgrund der Amphetamine 

hat Qat eine aufputschende Wirkung, die durch koffeinhaltige Getränke während des Qatkauens 

noch verstärkt wird. Qat hält wach und zügelt zudem den Appetit, kann aber auch zu 

Schlafstörungen führen, Probleme mit dem Kreislauf und dem Magen, Verstopfung oder 

erhöhten Blutdruck verursachen. Zudem belastet Qat den Geldbeutel und verbraucht viel Wasser, 

sowohl für den Anbau als auch während des Genusses. Alle Versuche, von wessen Seite auch 

immer, den Konsum von Qat zu minimieren, haben bisher zu keinen nennenswerten Erfolgen geführt. 

Liebgewordene Traditionen zu verändern, braucht viel Zeit und vor allem akzeptable Alternativen, die 

weiterhin nicht in Sicht sind. 

Religionen 

Der Jemen definiert sich in seiner Verfassung als islamischer Staat, wobei Religionsfreiheit garantiert wird. Rechtsgrundlage ist die Scharia. Etwa 35% der Bevölkerung (Angaben variieren je nach Quelle) gehören den zaiditischen Schiiten an, die vor allem in der Gegend der Stadt Sa’da im nördlichen Jemen siedeln und geistlich durch die Sayyids (arab. Sing. «sayyid» – Pl. «saada») repräsentiert werden. Eine weitere im Jemen anzutreffende schiitische Minderheit sind die Ismailiten. Ein Zweig davon, die Sulaymani Bohras, siedeln seit Generationen vorwiegend in der Bergregion um den Ort Manakha, westlich von Sanaa. Ihr Pilgerzentrum ist al-Hoteib, nur wenige Kilometer südlich von Menakha gelegen. Die überwiegende Mehrheit sind jedoch Sunniten (schafi’itischer Richtung), die in der Tihama, südlich von Sanaa und im gesamten Südjemen leben. 

Bis zur Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 gab es ca. 55 000 Jemeniten jüdischen Glaubens. Zwischen 1949 und 1950 reiste der größte Teil von ihnen im Rahmen der Operation «Magic Carpet» (dt. «Fliegender Teppich») nach Israel aus. Bis vor wenigen Jahren existierten noch kleine jüdische Minderheiten in den Provinzen Sa’da und Amran. Ihre Angehörigen arbeiteten überwiegend als Bauern oder Silberschmiede. Im Zusammenhang mit dem seit 2004 in dieser Region schwelenden Konflikt zwischen der Regierung und den Huthi Rebellen kam es verstärkt zu Übergriffen auf die dort lebenden jüdischen Familien und schließlich zu deren Vertreibung aus dieser Region. Sie wurden staatlicherseits daraufhin in bewachten Camps in Sanaa untergebracht, im März 2016 erfolgte ihre Ausreise nach Israel. Lediglich einige wenige Juden (ca. 50) sind im Land verblieben. Kirchen existieren (vermutlich) nur in Aden und betreuen die im Jemen lebenden Ausländer, vor allem aus Indien und den Philippinen. 1967 gab es 22 Kirchen in Aden, 2011 nur noch drei.

Kirchen, deren zugehörige Mitarbeiter/innen und Einrichtungen wurden mehrfach zur Zielscheibe terroristischer Attacken. Ob es Jemeniten christlichen Glaubens gibt, ist offiziell nicht bekannt. 

Auch im Jemen wurde/wird der Islam weiterhin von extremistisch militanten Kräften politisch missbraucht. Anschläge mit  terroristischem Hintergrund (al-Qaida bzw. IS) auf staatliche, private und auch ausländische Institutionen (u.a. Botschaften), sowie auf schiitische Moscheen und Einrichtungen mit vielen Opfern und hohen materiellen Schäden sind inzwischen zur traurigen Realität geworden. 

Lesetipps & Links 

Heinze, Marie-Christine: Weiblichkeit und öffentlicher Raum im Jemen (Bonner Islamwissenschaftliche Hefte, 2006) 

Hitz, Florian: Zuerst die Freunde, dann die Frau. Verantwortungen jemenitischer Männer gegenüber ihren Familien (Studies on Modern Yemen 7) 

Gesundheitswesen: 

Belletristik: 

Orth, Günther: Gesichter und Orte (Moderne Erzählungen aus dem Jemen) 

Orth, Günther: Zur Situation der jemenitischen Autoren (Qantara, 2004) 

Bushra al-Maqtari: Offener Brief zur Lage im Jemen 

Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Verfasser ist Heiner Walther. Die Urheber wurden informiert, dass auf meiner Tourismusseite für Jemen die Inhalte veröffentlicht werden.